Seit April 2019 nimmt die Stadt Schlitz an der Sicherheitsinitiative „KOMPASS“ teil. Die Initiative „Kommunalprogramm Sicherheitssiegel“ (KOMPASS) verfolgt das Ziel, eine nachhaltig ausgerichtete Verzahnung und engere Zusammenarbeit zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Polizei und Kommune zu schaffen, um auf diese Weise für eine Verbesserung der Sicherheit zu sorgen.
Um dieses Ziel zu erreichen, wird in den teilnehmenden Städten und Gemeinden zunächst eine detaillierte Sicherheitsanalyse durchgeführt.
Bei der Umsetzung stehen die spezifischen kommunalen Sicherheitsbedürfnisse, d.h. insbesondere die Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger im Fokus der Betrachtung. Schließlich hat deren subjektives Sicherheitsgefühl einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung der Sicherheitslage sowie die Lebensqualität in der jeweiligen Kommune. Dementsprechend ist es für den Erfolg von KOMPASS von essentieller Bedeutung, zunächst das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen einer Erhebung mit anschließender Analyse zu betrachten. Denn erst auf Grundlage der dadurch gewonnenen Erkenntnisse ist es möglich, konkrete und passgenaue Maßnahmen zur Lösung der identifizierten Probleme zu erarbeiten und umzusetzen.
Vor diesem Hintergrund hat die Professur für Kriminologie (Prof. Dr. Britta Bannenberg) an der Justus-Liebig-Universität in Gießen einen Erhebungsbogen mit 120 Fragen zusammengestellt, der das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung messbar macht und Auskunft über die Kriminalitätsfurcht in der Kommune gibt. Der Fragebogen beinhaltet:
Teil A – Allgemeine Angaben zur Person
Teil B – Persönliches Sicherheitsempfinden
Teil C – Persönliche Kriminalitätserfahrung
Teil D – Alltagserfahrungen
Teil E - Präventionsprojekte
Erfreulicherweise konnte nach Absprache mit dem Polizeipräsidium Osthessen mit Unterstützung der Uni Gießen in Form dieser Fragebögen im Jahr 2019 die repräsentative Sicherheitsbefragung im gesamten Schlitzerland durchgeführt werden. Befragt wurden dabei Personen über 14 Jahren mit Hauptwohnsitz in der Kernstadt und den Stadtteilen. Von insgesamt 9.781 so ermittelten Einwohnern wurden nach den Kriterien für Zufallsstichproben 3.700 Personen zur Teilnahme an der anonym durchgeführten Befragung aufgefordert, wobei eine relativ hohe Rücklaufquote von 23,05 % zu verzeichnen war.
Entsprechend den Erfahrungen der UNI aus anderen Befragungen stieg die Zahl der Rückläufe mit zunehmendem Alter der Befragten. Unterrepräsentiert sind aufgrund des geringen Rücklaufs neben Jugendlichen (Altersgruppen von 14 – 29 Jahre) auch nicht deutsche Einwohner. Das Ergebnis bestätigt einmal mehr die Problematik der schwierigen Erreichbarkeit bestimmter Zielgruppen. Gleichwohl handelt es sich bei dem Rücklauf um ein äußerst zufriedenstellendes Ergebnis, wobei die Aussagekraft auf Stadtteilebene aufgrund der Stichprobengröße – im Gegensatz zum gesamten Stadtgebiet - eingeschränkt ist und maßgeblich von den Werten der Kernstadt beeinflusst wird.
Auswertung der Sicherheitsbefragung
Die Auswertung ergab, dass die dringlichsten Probleme von 26,3 % der Befragten bei der Kriminalität gesehen wurden und von 48,8 % beim Verkehr.
Die meisten Antworten entfielen auf die Kategorie öffentliche Straßen und Verkehr, wobei insbesondere das hohe innerstädtische Verkehrsaufkommen als Problem benannt wurde.
Folgende Probleme wurden aufgeführt:
Zu schnelles und rücksichtloses Fahren | 58,0 % |
LKW fahren rücksichtslos / gefährliche Situationen mit LKW | 53,1 % |
Es gibt zu wenig Parkplätze | 27,5 % |
Es wird falsch geparkt | 33,8 % |
Die Parkgebühren sind zu teuer | 0,2 % |
Die Radwege sind schlecht ausgebaut bzw. gefährlich | 19,3 % |
Radfahrer und andere Verkehrsteilnehmer haben Konflikte | 16,2 % |
In Fußgängerzonen stören Rad-, PKW-, Lieferwagen- oder LKW Fahrer | 4,8 % |
Auch das Sicherheitsempfinden bezüglich Kriminalität bewegt sich auf dem Niveau vergleichbarer Städte. Hier zeigt sich, dass die Mehrheit der Befragten nie oder zumindest selten die Befürchtung hatten,
- Opfer einer Körperverletzung (74,1% / 19,3 %),
- Opfer eines sexuellen Angriffs (83,7% / 10,4%),
- Opfer einer sexuellen Belästigung (78,8 % / 13,0%)
- Opfer eines Terroranschlags (74,0 / 18,3%)
zu werden.
Incivilities (subjektive Störung der sozialen und normativen Ordnung)
Als störend werden von den Befragten in der Kernstadt und in den Stadtteilen in der eigenen Wohngegend undiszipliniert fahrende Autofahrer und Falschparker wahrgenommen, aber auch Schmutz und Müll in den Straßen und Anlagen sowie herumlungernde Jugendliche gehören zu den meistgenannten Störungen. Die Top 10 sind:
- Undiszipliniert fahrende Autofahrer 40,1 %
- Schmutz/Müll in den Straßen/Grünanlag. 22,1 %
- Falsch oder behindert parkende Autos 20,5 %
- Herumlungernde Jugendliche 19,5 %
- Ruhestörung 23,7 %
- Heruntergekommene/leerstehende Gebäude 18,5 %
- Schlechte Straßenbeleuchtung 16,0 %
- Ruhestörung 15,9 %
- Ausländerfeindlichkeit 15,5 %
- Rechtsradikalismus 15,2 %
Angstorte
24,5 % der Befragten geben an, dass es in der Kernstadt oder in ihrem Stadtteil einen Ort gibt, an dem sie sich unsicher fühlen. Als Gründe für dieses Gefühl der Angst werden insbesondere folgende Gründe genannt:
- Gruppenbildung von Jugendlichen und jungen Männern mit fremder Herkunft
- verhaltensauffällige Personen,
- Alkohol- sowie Betäubungsmittelkonsum,
- Beleidigungen, Pöbeleien, aggressives Verhalten,
- Verschmutzungen in Form von illegaler Müllentsorgung
Die drei meistgenannten Angstorte sind:
Schloßpark, Bushaltestelle vor der Sparkasse, Damenweg
Im Rahmen der Sicherheitskonferenz wurden neben diesen Befragungsergebnissen die sogenannten Hellfelddaten der Polizei vorgestellt, d. h. die erfassten Daten zur Verkehrsunfalllage und der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik.
Für die Analyse der Verkehrsunfalllage wurden die Jahre 2018 bis 2020 zum Vergleich herangezogen. Als Ergebnis bleibt festzustellen, dass es keinen Unfallschwerpunkt für den Bereich der Stadt Schlitz gibt und die Anzahl der aufgenommenen Verkehrsunfälle sich auf keinem hohen Niveau bewegen.
Zur Kriminalitätsstatistik sind die Jahre 2019 und 2020 als Auswertungszeitraum herangezogen worden. Die in der Statistik erfassten Fälle sind vergleichbar mit ähnlich strukturierten Kommunen und weisen in den einzelnen Deliktsbereichen keine Auffälligkeiten auf.
Was wird getan, um die Sicherheitslage zu verbessern?
Im Bereich der Bahnhofstraße wurde eine Fußgängerampel installiert, um die Gefahrenstelle an den Supermärkten zu entschärfen. Um dem zu schnellen fahren entgegenzuwirken, werden in regelmäßigen Abständen durch die Ordnungspolizei Geschwindigkeitsüberwachungen durchgeführt. Des Weiteren wird der ruhende Verkehr seit diesem Jahr insbesondere in der Kernstadt und am Pfordter See verstärkt kontrolliert. Im angesprochenen Angstort „Schloßpark“ wurde eine Gefahrenabwehrverordnung verabschiedet. Das Angebot der Jugendarbeit wurde für die diesjährigen Sommerferienspiele verdoppelt und soll in Zukunft weiter ausgebaut werden.
Bereits eingerichtet seitens der Stadt wurde der Sport-Coach im Zuge des Landesprogramms „Sport und Flüchtlinge“. Seitens des Ordnungsamtes wurden zwei Ordnungspolizeibeamten ausgebildet. Zusätzlich verfügt die Stadt Schlitz über eine Sicherheitsberaterin für Senioren, den Freiwilligen Polizeidienst, die Leon-Hilfe-Inseln, Präventionsrat, einen Streetworker und einen Jugendbeauftragten.
Als weiterer zeitnaher Schritt ist vorgesehen, dass die bei der Stadt Schlitz bereits bestehende Arbeitsgruppe KOMPASS (Experten der Polizei und der Verwaltung) die in der Bürgerbefragung identifizierten Probleme überprüft und sachlich beleuchtet:
- Inspizieren der Angsträume sowie die Kernstadt in den Abendstunden
- Festlegung genauer Schutzziele und Maßnahmen
- Betrachten der subjektiven Problemwahrnehmungen
Ziel ist es den Präventionsrat wiederzubeleben, um das in unterschiedlichen Bereichen vorhandene Fachwissen zusammenzutragen und Konzepte zur Verbesserung der Sicherheit und des Sicherheitsgefühls in unserer Stadt zu entwickeln.
Die Ergebnisse aus der Bürgerbefragung in Schlitz zeigen in der Gegenüberstellung mit anderen KOMPASS-Kommunen meist niedrigere Furchtwerte und deuten auf ein grundsätzlich gutes Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger im Schlitzerland hin. Es ist festzustellen, dass die Stadt Schlitz aktive Prävention bereits betreibt, diese gilt es jetzt auszubauen und zu optimieren.
Am 21.08.2020 wurden die genannten Angstorte sowie die Kernstadt Schlitz am Tag mit Blick auf die „Städtebauliche Kriminalprävention“ in Augenschein genommen. Die Stadt Schlitz ist klar strukturiert, die Räume einsichtig sowie sauber und kann daher aus städtebaulicher und kriminalpolizeilicher Sicht als unauffällig bezeichnet werden. In Mai 2021 wurden gemeinsam mit der Polizei die Angstorte erneut aufgesucht.
Für die genannten Probleme werden Maßnahmen und Schutzziele festgelegt bzw. ausgearbeitet und in der 2. Sicherheitskonferenz vorgestellt.
Schlitz, 14.07.2021
Willy Kreuzer, Erster Stadtrat