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Ausstellung - 200 Jahre Georg Christian Dieffenbach


Ausstellungseröffnung:

"Georg Christian Dieffenbach - Poet und Kirchenmann" - 4.12.2022 (2. Advent), 11:00 Uhr

Burgmuseum, A. d. Vorderburg 1, 36110 Schlitz

Georg Christian Dieffenbach: dieser Name ist den meisten Schlitzer Bürgern bekannt und geläufig. Aber nach wem wurden Schule, Kindergarten und Straße benannt? Welche historische Persönlichkeit verbirgt sich dahinter? Welchen Bezug zur Stadt hatte der Namensgeber? Antworten auf diese Fragen möchte eine Ausstellung anlässlich des 200. Geburtstages des Poeten und Pfarrers am 4. Dezember 2022 geben.

Dargestellt wird neben Dieffenbachs Lebenslauf eine Auswahl seiner Werke: seine weltlichen und kirchlichen Schriften, seine Gedichte und Kinderlieder. Nicht fehlen darf das „Schlitzer Lied“, ein liebevolles Lob auf die Heimat, das von Kantor Nanz vertont wurde und bekanntermaßen zur 25. Stunde des Trachtenfest-Montags auf dem Marktplatz die Festlichkeiten feierlich beendet.

Präsentiert werden weiterhin Porträts von Georg Christian Dieffenbach und seiner Gattin, zahlreiche seiner Bücher und der Schreibtisch, an dem seine vielen Werke entstanden sind. All diese Exponate sind den Besuchern des Burgmuseums während der Öffnungszeiten oder nach Absprache zugänglich.

Zur Einstimmung in die Adventszeit ein Gedicht des Poeten und Kirchenmannes, das Lust auf die Ausstellung machen soll: Das Weihnachtslied.

Bald kommt der liebe Weihnachtstag
Mit seiner hellen Freude,
Mit Lichterglanz und Marzipan –
O wär´ er doch schon heute!
Viel Tage hat das lange Jahr, –
Der schönste Tag von allen
Ist doch der liebe Weihnachtstag,
Der will uns sehr gefallen.
Der schönste Tag von allen!
Sein Lob soll laut erschallen.

Wenn hell der liebe Christbaum strahlt
Im bunten Kerzenschimmer,
Dann jubeln wir und freuen uns, –
O grünte er doch immer!
Viele Bäume steh´n im grünen Wald,
der schönste Baum von allen
Ist doch der liebe Weihnachtsbaum,
der will uns sehr gefallen.
Der schönste Baum von allen!
Sein Lob soll laut erschallen.

O sel´ge, heil´ge Weihnachtszeit!
O Baum im Kerzenscheine!
Wer gibt uns alle diese Lust?
Das tut Herr Christ alleine!
Viel Kinder leben in der Welt,
Das liebste Kind von allen
Ist doch das liebe Jesuskind,
Das will uns sehr gefallen.
Das liebste Kind von allen!
Sein Lob soll laut erschallen.

Georg Christian Dieffenbach wurde am 4. Dezember 1822 in Schlitz geboren. Seine Eltern waren Ludwig Christian Dieffenbach, Pfarrer in Schlitz, und Friederike geb. Schlez. Der Vater hatte Theologie in Gießen studiert und kam 1817 von Altenschlirf als Stadtpfarrer nach Schlitz. 1833 wurde er Dekan und 1840 Oberpfarrer in Schlitz. Als Kammerabgeordneter in Darmstadt trat er für die Fortschrittspartei ein, war Abgeordneter im Frankfurter Vorparlament und gelegentlich auch als Schriftsteller tätig. Der Großvater mütterlicherseits Johann Ferdinand Schlez war Oberpfarrer und Konsistorialrat in Schlitz, er war bekannt als pädagogischer Schriftsteller. Von ihm stammt das „Schlitzische Gesangbuch“.    

Georg Christian wurde als zweiter Sohn der Familie Dieffenbach geboren. Sein älterer Bruder war der Theologe und Pädagoge Dr. Ferdinand Dieffenbach (*1821 in Schlitz, +1861 Manchester bei Baltimore, USA), der jüngere Bruder war der Bergbauingenieur Dr. Otto Dieffenbach (*1827 in Schlitz, +1900 in Stuttgart).

Georg Christian wuchs in Schlitz auf. Die Familie wohnte am Kirchplatz. Sowohl Großeltern als auch Eltern begannen früh mit der Unterrichtung der Enkel und Kinder. Bereits mit 5 Jahren konnte Georg Christian lesen. Neben der theoretischen Ausbildung erhielten die Dieffenbachschen Kinder auch Unterricht in Musik und praktischen Fertigkeiten.

Schon als 15-Jähriger wechselte Georg Christian zusammen mit seinem Bruder Ferdinand nach Gießen ans Gymnasium. Um die rund 70 km entfernte Stadt zu erreichen, benötigte er zu Fuß etwa vier Tagesreisen. Er absolvierte die Schule von 1837 bis 1840. Danach schlossen sich drei Jahre Studium der Theologie an der Universität Gießen an (1840 - 1843). Von 1843 bis 1844 besuchte er das Predigerseminar in Friedberg. 1845 war er als Lehrer an der von seinem Bruder geleiteten Privatschule in Schlitz tätig und begann 1847 seine Kirchenkarriere als Pfarrverwalter und Vikar in Kirchberg bei Gießen. Ab 1852 hatte er das Amt des Pfarrverwalters in Vielbrunn im Odenwald inne, bis er 1855 den Ruf als Stadtpfarrer nach Schlitz erhielt.

1855 heiratete er Wilhelmine Hartmann aus Wetzlar (1827 – 1904), seine Tochter Marie (+1917) wurde 1856  geboren, ein Jahr später folgte Tochter Anna (+1895, verheiratet mit Jakob Justus Korell, die Ehe blieb kinderlos). Sohn Karl wurde 1859 geboren (+1936, General der Infanterie im Ersten Weltkrieg) und Sohn Otto 1862 (+1919, Professor der chemischen Technologie und Elektrochemie in Darmstadt).

Seit 1872 gehörte er der Landessynode und dessen Gesetzgebungsausschuss an. Sein Einfluss wirkt sich auf die neue Kirchenverfassung von 1874 aus. 1875 wird er zum Oberpfarrer in Schlitz berufen. 1884 erhält er den Ehrendoktortitel der Universität Greifswald und wird 1892 zum „Geheimen Kirchenrat“ ernannt.

1901 stirbt Georg Christian Dieffenbach in Schlitz. Er ist auf dem Erbbegräbnis des heimatlichen Friedhofs beigesetzt, wo sein Grab heute noch besucht werden kann.

Georg Christian Dieffenbach hat ein vielfältiges und umfangreiches Lebenswerk hinterlassen. In der heutigen Zeit kaum vorstellbar, dass er seine Texte mit der Hand - ohne technische Hilfsmittel wie Textprogramme, Computer oder Schreibmaschine - verfasst hat. Vermutlich schrieb es seine Texte mit einer Stahlfeder, eventuell später auch mit einem Füllfederhalter.

Seine Schriften umfassen Anleitungen zum Hausgottesdienst; zu erwähnen ist insbesondere die „Evangelische Hausagende“, eine Anleitung und ein Andachtsbuch für den Hausgottesdienst, das sich zu seiner auflagenstärksten Schrift entwickelte. Daneben war er sehr produktiv: er veröffentlichte Schriften zur privaten Erbauung, Andachten und Predigten für den Hausgebrauch, sowie ein christliches Gedenkbuch mit Bibeltext, Auslegung und ein Lied für jeden Tag des Jahres.

Umfangreich sind auch seine Arbeiten zum Gebrauch in der Kirche und Seelsorge durch den Pfarrer. Ab 1857 arbeitete er zusammen mit Pfarrer Christian Müller in Beerfelden an den drei Bänden des „Diarium Pastorale“, das der Förderung der Liturgie in Hessen dienen sollte. Band 1: Evangelisches Brevier, Band 2: Evangelische Handagenda, Band 3: Evangelisches Hirtenbuch.

Weiterhin ist sein dichterisches Werk beachtlich: seine Kinderlieder und Gedichte sind in verschiedenen Auflagen mit und ohne Illustrationen und Vertonungen erschienen. Erste Auflagen von „Aus dem Kinderleben“ wurden zum Beispiel von Ludwig Richter, einem bedeutenden Maler und Zeichner der Spätromantik und des Biedermeiers, illustriert.

Seine Lieder und Gedichte behandeln die Themenkreise Tier- und Pflanzenwelt und das familiäre und häusliche Milieu. Die Sprache und Darstellung kann dem heutigen Kunstempfinden nach als verniedlichend und verklärend betrachtet werden. Mit dem heiteren, romantischen Ton seiner Gedichte traf er den Geschmack seiner Zeit. Der Erfolg seiner Gedichte und Lieder spiegelte sich in den wiederholten Auflagen seiner Werke wider. Im Vorwort der „Kinderlieder“ von 1852 erläutert Dieffenbach seine dichterischen Absichten und bekennt sich zu einem religiösen Idealismus „Den Sinn für das Himmlische im Irdischen, für das Geistige im Körperlichen zu wecken und pflegen – das ist die Bedeutung der Poesie für die Jugend.“ 1857 veröffentlichte er seine „Gedichte“. Nach der Reichsgründung 1871 erscheinen „In der deutschen Frühlingszeit – siebzehn Lieder aus dem Kriegs- und Siegesjahr 1871“, hochpolitische und der Zeit entsprechend nationalistisch und patriotisch gefärbte Lieder, die seine Begeisterung für die neu gegründete Nation widerspiegeln; was aus heutiger Sicht nicht dem Bild des Menschen- und Kinderfreundes entspricht.

In der 1853 herausgegebenen „Evangelische Hausagende“ findet sich das "Abendgebet", das heute noch gerne gesprochen wird:

Bleibe bei uns, Herr,
denn es will Abend werden,
und der Tag hat sich geneigt.
Bleibe bei uns und bei deiner ganzen Kirche.
Bleibe bei uns am Abend des Tages,
am Abend des Lebens, am Abend der Welt.
Bleibe bei uns mit deiner Gnade und Güte,
mit deinem heiligen Wort und Sakrament,
mit deinem Trost und Segen.
Bleibe bei uns,
wenn über uns kommt
die Nacht der Trübsal und Angst,
die Nacht des Zweifels und der Anfechtung,
die Nacht des bitteren Todes.
Bleibe bei uns und allen deinen Gläubigen
In Zeit und Ewigkeit.
Amen.

Im 1874 erschienenen „Ein Hochzeitsstrauß. Aus Gottes Garten und von den Wiesen der Welt gesammelt“ setzt er im Vorwort seiner Gattin ein Denkmal: „Schließlich kann der Verfasser nicht umhin, an dieser unscheinbaren Stelle seiner geheimen Mitarbeiterin an diesem „Hochzeitsstrauße“ ein bescheidenes Denkmal tiefster Liebe zu setzen. Nicht wenige der hier dargebotenen Blüten verdankt er ihrer hingebenden, unwandelbaren Liebe und Treue; dies unter Lob und Preis der Gnade Gottes zu bezeugen, ist ihm eine herzliche Freude, und wer sich etwa erquickt an dem Bilde einer in frischer, bräutlicher Liebe waltenden Hausfrau, wie es da und dort in diesen Blättern dem Leser entgegentritt, der mag ahnen, woher die Farben zu diesem Bilde genommen sind.“

Das Buch enthält die folgende Widmung, der blumige Text macht Dieffenbachs Hingabe deutlich:

Nehmt hin den Hochzeitsstrauß! – Er ist gebunden
Aus Blumen und aus Blüten mannigfalt,
Wie sie in Gottes Garten sich gefunden,
Auf Wiesen, Rainen und in Feld und Wald.

Er möge Allen, die sich treu verbünden
Zum großen Bund, vom Herrn gebenedeit,
Der wahren Liebe hohes Glück verkünden
Und ihre Kraft und stille Seligkeit.

Er wecke in den Seelen eine Ahnung,
Wie ernst und heilig das geweihte Band;
Er bringe Allen eine treue Mahnung
Zum rechten Wandel in dem heil´gen Stand.

Der Herr der Liebe wolle freundlich legen
Der Gnade Tau auf diesen Blütenstrauß!
Er grüße euch mit seiner Liebe Segen,
Und kröne euren Bund und euer Haus!

Zwei Jahre später folgt „Christliches Gedenkbuch zur kurzen täglichen Andacht und zur Aufzeichnung wichtiger Gedenktage“. Für seinen Geburtstag, den 4. Dezember, ist folgender Text mit Auslegung und Lied zu finden:

Gleichwie der Blitz ausgehet vom Aufgange und scheinet bis zum Niedergange, also wird sein die Zukunft des Menschensohns. (Matthäus 24, 27)

Es wird kein Zweifel mehr unter den Menschen sein, ob der Herr da ist oder nicht, wenn Sein Tag erst anbricht. Plötzlich wird Er kommen, leuchtend wie der Blitz, den wir alle sehen in demselben Augenblick. Aber wie werden wir Ihn sehen, - mit Freuden oder mit Schrecken? Herr gib, dass wir Dich mit Frohlocken schauen in Deiner herrlichen Zukunft!

1879 erscheint die Zweitveröffentlichung seiner „Gedichte“ unter dem Titel „Lied und Leben“. Ab 1884 gibt Dieffenbach die Monatsschrift „Für unsere Kleinen“ heraus.

In den Folgejahren 1885 und 1886 veröffentlicht er Sammlungen verschiedener Predigttexte unter den Titeln „Evangelien-Postille“ und „Epistel-Postille“. Beide Predigtsammlungen sind wichtig für die Geschichte der lutherischen Verkündigung und Seelsorge in Hessen.

1886 entsteht sein poetisches Spätwerk „Aus vier Reichen“, Gedichte neue Sammlung. Er unterteilt seine Gedichte in die Reiche der Natur, der Häuslichkeit, in das Deutsche Reich und in das Himmelreich. Hier findet sich auch unter dem Titel „Die Vaterstadt“ das Schlitzer Lied, das von Kantor Heinrich Nanz vertont wurde und den Schlitzer Bürgern wohl bekannt ist.

Drei Jahre später, 1889, publiziert er „Passionale“, die Leidensgeschichte des Herrn, und zwei Jahre darauf „Das Evangelium Lucae“.